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2001-01-03: Chinas Privatwirtschaft verschafft sich Respekt
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2001-01-03: Chinas Privatwirtschaft verschafft sich Respekt

Erste Privatwirtschaftsmesse sprengt alle Erwartungen

Unter den 18 000 Besuchern der ersten Privatwirtschaftsmesse Chinas war ich der einzige Europäer. Drei andere Nicht-Asiaten habe ich getroffen: die Chef-Repräsentanten eines amerikanischen, eines kanadischen und eines australischen Unternehmens. Politiker, Unternehmer und Wirtschaftsvertreter südostasiatischer Länder waren etwas weniger selten. Wir waren Ehrengäste, vorübergehend in den Rang eines chinesischen Vizeministers oder Vizegouverneurs gehoben; ausser uns Ausländern wurden nur derart hochrangige Persönlichkeiten im Polizeikordon zum Messegelände chauffiert, nur sie durften wie wir bei der Eröffnung auf der Ehrentribüne Platz und am Ehrenbankett teilnehmen.

Die Messe fand in Kunming statt, Hauptstadt der an Laos, Myanmar und Vietnam grenzenden südchinesischen Provinz Yunnan. Kunming gilt als Chinas "Frühlingsstadt", im Sommer relativ kühl, im Winter angenehm mild. Für eine Messe im Dezember der ideale Austragungsort. Orchideen und exotische Bäume blühten überall.

Dass in China auch die Privatwirtschaft blüht, hat die Messe demonstriert. Für die ursprünglich vorgesehenen eintausend Messestände haben sich 1600 Privatunternehmen aus ganz China angemeldet, viele mieteten grössere Standflächen an. Foyers und Durchgangshallen wurden mit zusätzlichen Ständen nahezu zugebaut. Die Organisatoren hatten mit 4000 Besuchern gerechnet. Mit der Anmeldung von 12 000 und der tatsächlichen Anreise von 18 000 Besuchern wurde die Hotel- und Verkehrskapazität der Stadt bis dicht an ihre Grenzen beansprucht. Bei der fünftägigen Messe wurden 1180 Handelsverträge im Gesamtvolumen von 31,8 Mrd RMB (3,8 Mrd US-Dollar) unterzeichnet.

Nach dem Fiasko mit der Welt-Gartenausstellung 1999 in Kunming, bei der die erwartete Besucherzahl nicht erreicht wurde, war die Privatwirtschaftsmesse für die Stadt und die Provinz endlich wieder ein Erfolgserlebnis. Die Gartenausstellung war von der chinesischen Regierung organisiert und mit 13 Mrd RMB (1,5 Mrd US Dollar) massiv subventioniert worden. Unterstützt wurde zwar auch die Privatwirtschaftsmesse von mehreren Ministerien, die Organisation oblag aber weitgehend dem chinesischen Bund für Industrie und Handel (All-China Federation of Industry and Commerce).

Diese Nicht-Regierungsorganisation ist Nachfolgerin der früheren Industrie- und Handelskammern Chinas, die nach 1949 unter dem Dach der "Einheitsfrontbewegung" sozialisiert wurden und erst seit der Einführung der "sozialistischen Marktwirtschaft" und der kürzlichen Legalisierung der Privatwirtschaft wieder anfangen, kammerähnliche Funktionen wahrzunehmen. Der Bund für Industrie und Handel wurde von Regierung und Partei bisher kaum ernstgenommen und hat nur in regionalen Einzelfällen die Erlaubnis zu einer teilweisen "Selbstverwaltung der Wirtschaft", wie sie in vielen westlichen Ländern üblich ist und wie sie auch von der chinesischen Privatwirtschaft immer stärker gefordert wird.

Der Bund für Industrie und Handel hat für die erste Privatwirtschaftsmesse Chinas alle Kräfte mobilisiert, seine Mitglieder haben ihn durch die zahlreiche Teilnahme an der Messe demonstrativ unterstützt. Chinas Zentralregierung und die regionalen Regierungen haben erkannt, dass diese Organisation nicht zu unterschätzen ist. Sie haben auch erkannt, dass die Privatunternehmen zusammenhalten und sich Gehör verschaffen. Ob sich der wachsende private Mittelstand Chinas durch solche Aktionen auch mehr Mitsprache an wirtschaftspolitischen Entscheidungen erkämpfen kann, bleibt abzuwarten. Wenn sich unter ausländischen Unternehmen herumspricht, dass die chinesische Privatwirtschaft ein ernstzunehmender Geschäftspartner geworden ist, werde ich bei künftigen Privatwirtschaftsmessen wohl auch nicht mehr der einzige Europäer sein.

(Helmut Schönleber, DIHK Projektleiter China)

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